Stadtteil Eichel/Hofgarten

"Junger Stadtteil, traditionsreiches Dorf" - diese Kombination wird im Stadtgebiet Wertheim vor allem am Beispiel Eichel-Hofgarten deutlich. Hier das Dorf Eichel mit seiner uralten, eigenartigen Kirche, die von jeher das Interesse der Altertumsforscher auf sich gezogen hat. Da das Wohngebiet Hofgarten, auf dessen Areal noch vor 50 Jahren lediglich das Waisenhaus stand, das einst Fürst Georg erbauen ließ. Dies änderte sich nach dem Zweiten Weltkrieg. Aufgrund der Räumung des ehemaligen Fliegerhorstes auf dem Reinhardshof wurden an dem flachen Hang zwischen Eichel und Eichelhofgarten Firmen- und Wohngebäude neu errichtet. Hier fanden zunächst die Industriebetriebe wie Amarell, Graf und Schneider ebenso eine neue Heimat wie das evangelische Diakonissenmutterhaus Frankenstein. In den 70er Jahren schließlich "wuchs zusammen, was zusammengehört", Eichel und Hofgarten gelten seitdem als ein Stadtteil von Wertheim.

Das Dörfchen Eichel darf durchaus als bestes Beispiel für Tradition rund um die Main-Tauber-Stadt genannt werden. Der romanische Turm der Veitskirche, die als ältestes Gotteshaus im Gebiet des Badischen Mainfranken gilt, wird auf das 9. oder 10. Jahrhundert datiert. Das Gebäude stand also bereits, ehe die Grafen von Wertheim ihr Schloss erbauten. Vom Main aus sollen einst Missionare das heute noch so genannte "Heiligengässle" hinauf in die Ortschaft gekommen sein, um ihr Kreuz als Zeichen des Christentums an die Stelle einer früher germanischen Kultstätte "im heiligen Eichenhain" zu errichten. Dies vermutet Gustav Rommel in seinem 1929 erschienenen Beitrag über "Eichel und seine Kirche".

SAGEN UND LEGENDEN
Rommel erwähnt darin auch einige der zahlreichen Sagen, die sich um das Dorf ranken. Ob es eine der Geschichten rund um die Wettenburg ist, nach der ein Eicheler eine verzauberte Königstochter erlöste, zur Frau nahm und so das Wertheimer Grafengeschlecht begründete. Oder die Mär vom Wider und dem Wolf, die an der Veitskirche sogar bildlich dargestellt ist.

Erstmals urkundlich erwähnt wird der Ort 1276. Dabei handelt es sich um eine Bestimmung der Grafen Boppo und Rudolf von Wertheim, wonach die Pfründe der Pfarrkirche zu Eichel der Schlosskapelle zu Wertheim angegliedert werden sollen, da diese allein den Kaplan nicht ernährte. Rund um den Turm der nach dem heiligen Vitus benannten Kirche, die als Wallfahrtsort auch "Maria zur Eiche" genannt worden ist, ging das Leben der Bewohner einen über Jahrhunderte gewohnten Gang. Einfache Leut´ lebten hier von dem, was vor allem der Ackerbau möglich machte. Am Berghang gegenüber des Mains zeugen terrassenartige Anlagen noch heute vom Weinbau, der hier früher einmal betrieben worden ist.

"Echel" oder "Echele" - so lauten die von Eichenwald abgeleiteten ältesten Schreibweisen für den Ort, der an einer schönsten Biegungen des Mains liegt. Leicht variiert, nennen sich die Bewohner noch heute "Ächler". Wie viele Menschen sich im Laufe der Zeit im Dorf Eichel niedergelassen haben, lässt sich erst seit 1621 belegen: 15 Häuser, 54 Einwohner lautet für jenes Jahr die Auskunft, die sich für Jahre 1814 (214 Einwohner) und 1929 (317) hier nur in großen Schritten fortsetzen lässt. Heute, im Jahr 2001, sind in Eichel-Hofgarten etwa 1600 Einwohner registriert.

EINGEMEINDUNG NACH WERTHEIM
Zum 1. April 1935 hat das Dorf Eichel seine Selbstständigkeit aufgegeben. Der Eingemeindung gingen Verhandlungen zwischen dem Bürgermeister Georg Horn, dem Eicheler Gemeinderat und den Kollegen aus Wertheim mit Bürgermeister Friedrich Bender an der Spitze voraus. Von den sieben Bedingungen, die Eichel stellte, waren die Fertigstellung der Wasserleitung, die Instandsetzung des Eicheler Höhenweges und das vorläufige Weiterbestehen der Volksschule die wichtigsten. Für Parteigenosse Bender - schon damals bemüht, eine Wehrmachtseinheit an Main und Tauber zu bekommen - hatte dieser Beschluss ebenfalls Bedeutung. Denn außer dem Dorf fielen der Stadtgemeinde Wertheim auch die "Ländereien" zu. Bender hatte fortan das heutige Hofgarten-Areal und das Gelände des Reinhardshofes bei Vockenrot als Vorschlag parat, wenn es um das Thema "Kasernen-Standort" ging.

Wertheim erhielt bekanntermaßen 1937 schließlich den Fliegerhorst auf dem Reinhardshof, sodass auf dem Hang zwischen Eichel und dem Eichelhofgarten weiterhin lediglich die Bauten, die zu Schlösschen und Park gehören, und das Waisenhaus "Georgshülfe", benannt nach seinem Stifter, zu finden waren. Heute gehört das Gebäude zu dem Komplex, der 1951 entstanden ist und als "Grundstein" für den Stadtteil Hofgarten bezeichnet werden darf. Mit dem Bau der Industriebetriebe Amarell, Graf und Schneider, den Häusern des Diakonissenmutterhauses Frankenstein und den ersten Wohnblocks begann der "Siedlungsbau vor Eichel", zu dem sich der Gemeinderat Wertheims genötigt sah. Grund dafür war die Beschlagnahmung des ehemaligen Fliegerhorstes auf dem Reinhardshof.

Mit dem Erstellen der ersten Häuser - sie befinden sich in den Straßen "Untere Heeg" und "Am Bildacker" - setzte ab Anfang der 50er Jahre eine rege Bautätigkeit ein, die den "Hofgarten" mehr und mehr anwachsen ließen. Mit dem Haidhof im Rücken, dem Flusstal vor Augen und dem Dorf Eichel zu Füßen gilt "der Hofgarten" schon lange als sehr beliebte Adresse in Wertheim. Das kürzlich abgenommene Baugebiet "Setzlein / Birkenschlag" schuf weitere Möglichkeiten, in dem bevorzugten Stadtteil Neubauten zu erstellen. Mit dem Abriss der ehemaligen Kleiderfabrik Meier entstehen aber auch im "alten Teil" des Hofgartens neue Möglichkeiten. Die geplanten Seniorenwohnanlagen in der Frankensteiner Straße könnten günstiger nicht liegen, befinden sie sich doch in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wohnstift, einem der beiden großen Altenzentren der Stadt Wertheim.

"Paradiesisch" könnte die Lage hier werden, falls die Main-Tauber-Stadt tatsächlich einmal den Zuschlag für eine Landesgartenschau erhält. In einem der ersten Konzepte dafür taucht der "Eichelhofgarten" - mit dem Schlösschen und dem ehemaligen englischen Landschaftsgarten drum herum - als möglicher Bestandteil einer "Wertheimer Landesgartenschau" auf.

KULTURDENKMAL SCHLÖSSCHEN
Für Kunstinteressierte wird das Schlösschen in absehbarer Zeit zu einer weiteren Anlaufstelle in und um Wertheim. Die Stadt hat vom Fürstenhaus das 1777 von Graf Friedrich Ludwig errichtete Gebäude samt des dazugehörenden Parks im April 2000 zum Preis von 1,5 Millionen Mark erworben. Ein im April 2001 gegründeter "Förderkreis Schlösschen im Hofgarten" will die bald beginnende Sanierung und den späteren Betrieb als Kunstmuseum ideell und finanziell unterstützen.

In einer ersten Sanierungstranche, die die nutzungsneutrale Instandsetzung des Gebäudes zum Ziel hat, investieren Stadt und Bürger (378.000 Mark), Landesdenkmalamt (991.000 Mark), die Denkmalstiftung Baden-Württemberg (300.000 Mark) und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (400.000 Mark) insgesamt 2,07 Millionen Mark. In einem zweiten Bauabschnitt, dessen Kosten bislang auf sechs Millionen Mark geschätzt werden, soll der Ausbau zur musealen Nutzung folgen. Präsentiert werden einst im Schlösschen etwa 70 Gemälde, Zeichnungen und Aquarelle unter dem Titel "Deutsche Maler in Berlin", etwa 60 bis 80 Gemälde der Kategorie "Romantiker und ihre Nachfolger" sowie 750 Einzelobjekte französischen Porzellans, von denen Teile bereits im Grafschaftsmuseum zu bestaunen sind.

Eine politische Vertretung für den inzwischen drittgrößten Stadtteil Wertheims gab es seit der Eingemeindung nach Wertheim nur in der Zeit, als der Stadtteilbeirat Eichel-Hofgarten installiert war. Dieser hat sich allerdings Anfang der 90er Jahre aus verschiedenen Gründen aufgelöst.

Keinen Gedanken an Auflösung hegen dagegen die Vereine, die im Hofgarten und in Eichel als Stützen der Gemeinschaft bezeichnet werden dürfen. Der Tennis-Club "Gelb-Blau" ist seit 1920 auf den Anlagen im Eichelhofgarten, der FC Eichel seit 1946 mit Unterbrechungen und seit 1964 beständig aktiv. Beide Vereine bieten vor allem den Kindern und Jugendlichen zahlreiche Angebote und erfüllen damit auch eine wichtige soziale Aufgabe. Der älteste Verein in Eichel-Hofgarten ist der 1911 gegründete Sängerbund, der jüngste der 1977 gegründete Angel-Sport-Club (ASC) Eichel.

(erschienen in "Große Kreisstadt Wertheim", herausgegeben von der Stadt Wertheim im Juli 2001 anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten 25 Jahre Große Kreisstadt Wertheim)